Fachtag 2015: „Palliative Versorgung von Menschen mit Demenz“
Die palliative Versorgung von Menschen mit Demenz in der letzten
Lebensphase stand am 21. März 2015 im Mittelpunkt des gemeinsamen
Fachtages von Ingenium-Stiftung , Alzheimer Gesellschaft
Ingolstadt e.V..
Als „revolutionär“ bezeichnete Ministerialdirektorin Ruth Nowak,
Amtschefin des Bayerischen Gesundheitsministeriums – in diesem Jahr
Kooperationspartner der Veranstalter – den Ansatz der
Organisatoren, die Palliativversorgung von Demenzkranken, im ambulanten
wie im stationären Bereich, aus verschiedenen Blickwinkeln zu
betrachten und so die besonderen Anforderungen bei der
Betreuung wie auch die speziellen Bedürfnisse der Patienten
herauszuarbeiten. Auch die Vorsitzende der Deutschen Alzheimer
Gesellschaft, Heike von Lützau-Hohlbein, unterstrich
ausdrücklich die Bedeutung des Themas.
Die Symptomkontrolle spiele bei der Versorgung von Demenzkranken in der
Endphase laut Prof. Förstl von der TU München eine entscheidende Rolle.
Häufig würden Schmerzen nicht erkannt, da Menschenmit
fortgeschrittener Demenz diese im Gegensatz zu Tumorpatienten nicht mehr
artikulieren könnten. Sie würden eher mit herausfordernden
Verhaltensweisen reagieren, was meist zu einer Behandlung mit
Neuroleptika führe anstelle der notwendigen Schmerz-therapie. Skeptisch
äußerte er sich gegenüber Patientenverfügungen, die im Vorfeld oder
einem Frühstadium der Erkrankung erstellt würden, da
„Keiner weiß, was der Patient im entscheidenden Moment wirklich will!“
Rechtsanwalt Wolfgang Putz aus München griff in seinem Vortrag die Frage
auf, ob Selbstbestimmung im Fall einer Demenz überhaupt noch möglich
sei. Juristisch müsse grundsätzlich zwischen
Selbst- und Fremdbestimmung unter-schieden werden, z. B. bei
Problemstellungen wie Nahrungszufuhr mittels Magensonde. So dürfe trotz
entsprechender Indikation eine Behandlung nur dann erfolgen, wenn
der Patient einverstanden sei. Dies gelte auch bei Demenzkranken im
fortgeschrittenen Stadium. Trotz des zunehmenden Verlusts der kognitiven
Fähigkeiten müsse – in Abhängigkeit von der
jeweiligen Situation – die Möglichkeit zur aktuellen Selbstbestimmung
geprüft werden: Sofern eine Willensbildung möglich sei, könne und
müsse dem Patientenwillen entsprochen werden.
Entscheidend sei die Einsichtsfähigkeit, nicht die Geschäftsfähigkeit.
Liege keine Patientenverfügung vor oder könne der Betroffene seine
Wünsche nicht artikulieren, dann würde zwar die
Fremdbestimmung greifen, jedoch hätten Arzt und Betreuer sich trotzdem
nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten zu richten. Putz riet,
frühzeitig einen Familienangehörigen oder eine
andere vertraute Person als Bevoll-mächtigten zu benennen, der in einem
späteren Stadium der Erkrankung den mutmaßlichen Patientenwillen
hinsichtlich der Behandlung kenne und durchsetze.
Albrecht Kühnle, Chefarzt der Akutgeriatrie in Eichstätt, gab einen
inter-essanten Einblick in den Alltag auf der geriatrischen Station. Es
sei schwierig, den Zeitpunkt des Beginns
einer Palliativbehandlung im Sinne der letzten Lebensphase bei
Demenzkranken zu bestimmen. Ein Indikator sei oft die konkrete
Beendigung von Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme. Kühnle forderte für
Menschen mit Demenz eine „high-touch“ Medizin anstelle der üblichen
„high-tech“-Versorgung.
Im Anschluss daran berichteten Angehörige von Demenzkranken von ihren
persönlichen Erfahrungen bei der Pflege, bei der Suche nach Beratung und
Hilfe sowie im Umgang mit Medizinern, Pflegekräften und
Behörden.
Prof. Wolfgang Hartmann von der Alzheimer Gesellschaft Ingolstadt
erläuterte das Aufgabenspektrum einer Fachstelle für Pflegende
Angehörige sowie die Ausbildungsinhalte und Aufgabenbereiche
ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer.
Den Abschluss der Veranstaltung, die mit 150 Teilnehmern sehr gut
besucht war, bildeten die beiden Referate von Anita Arndt und Cathrin
Pfeiffer, die im Hospizverein in Ingolstadt bzw. München
arbeiten. Sie zeigten die verschiedenen Möglichkeiten zur
Unterstützung vonseiten der Hospiz- und Palliativdienste im ambulanten
und stationären Bereich auf.
Aufgrund des großen Interesses waren einige Referenten freundlicherweise damit einverstanden, dass ihre Präsentationen auf unserer Homepage veröffentlicht werden. Wir weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Folien urheberrechtlich geschützt sind und nicht zu Vorträgen oder sonstigen Veröffentlichungen in jeglicher Form verwendet werden dürfen.
Anita Arndt, Heike Lützau-Hohlbein, Anke Manthey, Albrecht Kühnle, Mathilde Greil, Winfried Teschauer, Ruth Nowak, Wolfgang Hartmann, Cathrin Pfeiffer (von links).
Nicht auf dem Bild: Hans Förstl, Wolfgang Putz, Ewa Meier. Foto: Michael Brandl